Je schlürf, desto lecker

Erstmal der allgemeine Entwarnungshinweis: Mann und mir geht’s gut. Wir sind mittlerweile in Hiroshima angekommen und von Erdbeben ist weit und breit nichts zu spüren. Auch wenn die deutschen Medien das Thema mittlerweile schon wieder völlig vergessen haben, herrscht in der Präfektur Kumamoto weiterhin Ausnahmezustand, da zehntausende Menschen Obdachlos sind und es erhebliche Schäden an der Infrastruktur gibt. Die Hilfsarbeiten sind selbstverständlich umfänglich angelaufen. Einen interessanten Artikel zum Thema Erdbeben“stärke“ gibt es auf dem Blog von Herrn Reinhard Zöllner, der Professor an der Universität Bonn, Fachbereich Asienwissenschaften, ist und diese Sache mit „Stärke“, „Magnitude“ und „Intensität“ nochmal, auf Japan bezogen, kurz und leicht verständlich aufdröselt. Die deutschen Medien kommen dabei leider eher schlecht weg. Bitte hier entlang.

Aber zurück nach Hiroshima und Fukuoka. Wir haben in Fukuoka zwei schöne, wenn auch regnerische Tage verbracht, mit viel Museum gucken, Schrein gucken, Schule gucken und natürlich ganz viel leckerem Essen. Sowohl mein Mann als auch ich haben bezüglich des letzteren Themas mittlerweile gelernt, in den „Japan-Modus“ zu schalten. Sobald wir also japanischen Boden betreten oder japanische Nudelspeisen zu uns nehmen, hat unser Hirn eine eigene Abteilung, die sagt: „Schlürfen ist gut, bitte schlürf‘, schlürfen macht Spaß“. Das läuft dann in Dauerschleife, um die elterlichen Stimmen zu übertönen, die uns in jahrelanger Kleinarbeit mal beigebracht haben: „Schlürf nicht!“ und zumindest am Anfang immer verhindert haben, dass man es überhaupt versucht hat.

Nachdem ich mir das dann also nach einem erhellendes Gespräch mit meinem Gastvater angewöhnt habe, hat mein Mann am Freitag beim Familienabendessen dann auch direkt ein dickes Lob abgesahnt. Mein 13-jähriger Gastbruder meinte nach Beginn des Essens nämlich umgehend:

「ダナさんはツルツルが上手だね!」- „Danasan wa tsurutsuru ga dschoosu da nee!“ – Dein Mann ist sehr gut im Schlürfen!

Das ist doch mal ein echt japanisches Kompliment, oder? Ich habe mich mittlerweile auch mit einigen Chinesen unterhalten und sowohl die als auch mein Gastvater sind übereinstimmende Quellen für die Tatsache, dass Japan tatsächlich das einzige Land ist, in dem man das zu hören bekommt. Weltgewandte Japaner wissen das auch und können die Geräusche im Ausland schlichtweg abstellen.

Sollte ihr also nach meiner Rückkehr ungehobelte Geräusche von dem Platz her hören, an dem ich Nudeln eurer Wahl esse (aus irgendeinem Grund auch mit Stäbchen, die sich magisch in meinen Händen materialisiert haben), dann weist mich einfach nochmal kurz darauf hin, dass ich nicht mehr in Japan bin ;]

8 thoughts on “Je schlürf, desto lecker

  1. Mama 25. April 2016 at 13:12

    Habe ich das dem Blogeintrag richtig entnommen:
    das Schlürfen bezieht sich auf Alles, was gegessen wird?
    Würde auch beim Kartoffelauflauf essen in Japan geschlürft?
    Und je doller Schlürfen desto leckerer?
    Freue mich über erhellende Informationen.

    • athene 27. April 2016 at 15:55

      Also bei Nudeln ist das Schlürfen normal, deswegen stört es natürlich auch nicht so sehr, wenn man es bei anderen Dingen macht. Kartoffelauflauf schlürfen ginge auch, wenn die Kartoffeln noch sehr heiß sind oder z.B. der Käse Fäden zieht. In der Regel werden solche Sachen aber mit einem Haps in den Mund gesteckt, sodass sich das Thema dann erledigt hat.

  2. お兄さん 25. April 2016 at 20:31

    Ach der Zöllner, plötzlich auch noch Geologe und Medienwissenschaftler. Auch wenn er einer von den besseren Japanologen zu sein scheint, scheinbar leiden die meisten der Japanologieprofs in Deutschland unter einem Ausschließlichkeitsanspruch was die eigene -natürlich richtige- Meinung angeht. Er macht da keine Ausnahme. Das finde ich in der Mailingliste immer ganz putzig. Die ganzen Deutsch-Japanischen und Japanisch-Deutschen Gesellschaften verbreiten Harmonie und gute (oder eben weniger gute) Ideen, aber sobald ein Prof was macht, spamt sich plötzlich die Liste von alleine mit Darstellungen und Gegendarstellungen zu.
    Da sag nochmal einer akademische Bildung schütze vor Flamewars…..

    おぎはらせんせい hat da ja auch eine eigene Meinung zu, wie wir seit der Japanmaus wissen. ^_^

    Ansonsten gilt: „Warum rülpset, schlürfet und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmecket?“

    いただきます! 

    • athene 27. April 2016 at 15:56

      Ähm, also mir ging es in diesem Fall eher um die Sachebene, die m.E. hier gut zusammen gefasst wurde. Deswegen habe ich den Artikel verlinkt.

  3. Peter 25. April 2016 at 22:39

    Hallo Claudia,

    freut mich, dass Du Deinen Mann überall vorzeigen kannst, und er auch in Japan Komplimente absahnt. Das Nudelschlürfen kannte ich noch gar nicht. Aber Deine Erklärung, dass der weltgewandte Japaner das im Ausland abstellen kann, erklärt alles. mir sind schon viele Japaner begegnet, das ist einfach so auf Reisen, aber das Schlürfen habe ich noch nicht bemerkt.

    Was Euch anbetrifft, so werden Euch alle weiterhin gerne zum Essen bitten, aber dann ganz westfälisch mit Kartoffeln oder alpin mit Knödeln, da sind dann alle auf der sicheren Seite.

    Wünsche Euch weiterhin viel Spaß beim erforschen der japanischen Sitten.

    Liebe Grüße

    Peter

    p.s. danke für den Link auf den wirklich informativen Erdbebenartikel.

    • athene 27. April 2016 at 16:02

      Mh, Kartoffeln und Knödel. Ich freu mich ja auch schon wieder auf zu Hause :]

  4. Maike 26. April 2016 at 19:38

    Erstmal schön zu wissen, dass es euch zweien gut geht! Was für ein erhellendes Gespräch hast du denn mit deinem Gastvater gehabt? Hat er dir erklärt, warum man Schlürfen sollte? Wenn ja, dann würde mich das mal interessieren 😀 Liebe Grüße von Chris und mir!

    • athene 27. April 2016 at 16:01

      Ja, in der Tat hat mir mein Gastvater genau das erklärt. Als wir einen Abend gemeinsam ein Nudelgericht gegessen haben, hat er geschlürft und ich nicht. So kam das Thema auf. Er hat mir dann erklärt, dass japanische Köche es in der Regel als Kompliment ansehen, also je lauter man schlürft, desto leckerer ist es. Außerdem hat er erzählt, dass die meisten Japaner das eben im Ausland abstellen. Weil sie wissen, dass es dort unhöflich ist zu schlürfen und die dortigen Menschen das nicht machen (und dementsprechend auch nicht können), seien sie auch immer entsprechend erstaunt und beeindruckt, wenn Ausländer es dann in Japan doch tun. Er meinte, damit könne man sich z.B. am Yatai-Stand als Ausländer durchaus Freunde machen. Das habe ich dann als Motivation genommen, um das zu üben. Frei nach dem Motto: When in Rome, do as the Romans do.

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